Aktuelle klinische Studien zu Hericium
Studienexzerpt: Dr. Beate Haertel, Pharmazeutin, Greifswald
Hericium erinaceus bei Alzheimer und Parkinson vielversprechend
Es ist bekannt, dass die Inhaltsstoffe von Hericium erinaceus entzündungshemmend sind, die Genexpression des Nervenwachstumsfaktors und das Auswachsen von Neuriten (Axon oder Dendrit) fördern und daher für eine Behandlung von Alzheimer- und Parkinson-Erkrankungen vielversprechend sind. Bisher gab es nur wenige klinische Studien, die diese hervorragenden Eigenschaften bei Patienten belegen (Übersicht bei Chong PS 2020). Seit 2019 wurden drei klinische Studien zu Hericium und kognitiven Funktionen publiziert (Vigna L 2019, Saitsu Y 2019, Li IC 2020). Auch wenn alle drei Studien darauf abzielen, kognitive Funktionen zu verbessern, lassen sie sich nicht direkt miteinander vergleichen. Sie unterscheiden sich in den Studienteilnehmern, dem verabreichten Hericium-Präparat, der Länge der Studien und z.T. auch in den gemessenen Parametern (siehe Tabelle 2).
Bei Vigna L (2019) wurden übergewichtige bzw. fettleibige Probanden rekrutiert, wenn sie eine Stimmungs- und/oder Schlafstörung und/oder Essattacken hatten (wurde durch Fragebögen zur Selbsteinschätzung bewertet). Während der Studie erhielten sie eine kalorienarme Ernährung.
Die Studienteilnehmer bei Saitsu Y (2019) waren mehr als 50 Jahre alt (ca. 61), wobei die Autoren mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für verminderte kognitive Funktionen nach dem 60. Lebensjahr ausgehen.
Die Arbeitsgruppe um Li IC (2020) untersuchte Patienten mit leichter Alzheimer-Krankheit (AD). Diese waren ebenfalls älter als 50 Jahre (mittleres Alter um 75 Jahre).
Alle drei Studien wurden als randomisierte Studien durchgeführt.
Zur Beurteilung der Hericium-Einnahme wurden Selbstbewertungs- und neuropsychologische Tests (Untersuchung der geistigen Fähigkeiten, um z.B. Kurz- und Langzeitgedächtnis, Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit, zeitliche und räumliche Orientierung abzuklären) sowie hämatologische Untersuchungen (Abklärung von u.a. Stoffwechselstörungen, die eine Demenzerkrankung auslösen können – siehe Tabelle 2) herangezogen. Bei den Alzheimer Patienten (Li IC 2020) wurde vor und nach der Interventionsphase eine neurologische Bildgebung (Magnetresonanztomographie/MRT) durchgeführt. Zusätzlich wurden diese Patienten augenärztlich untersucht, da es beim Morbus Alzheimer zu pathologischen Veränderungen in der Retina kommt, die zu visuellen Wahrnehmungsstörungen führen können. Die Kontrastempfindlichkeit nimmt ab (Bewegungen werden schlechter wahrgenommen, Gesichtsfelddefekte treten auf und der Farbsinn ist gestört).
Bei übergewichtigen bzw. fettleibigen Probanden linderte die Einnahme von Hericium Schlafstörungen sowie Symptome von Depression und Angst (Vigna L 2019). Zusätzlich wurde ein erhöhter BDNF-Spiegel (brain-derived neurotrophic factor) im Blut gemessen, ein sehr enger Verwandter zum Nervenwachstumsfaktor (NGF).
Die neuropsychologischen Tests zur Beurteilung der Hericium-Einnahme bei den ca. 61 Jahre alten Probanden zeigen eine signifikante Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten (Saitsu Y 2019). Gleichzeitig wurde beobachtet, dass eine Verschlechterung des Kurzzeitgedächtnisses verhindert werden konnte.
Im Vergleich zur Placebogruppe profitierten Patienten mit leichter Alzheimer-Krankheit von einer Hericium-Einnahme über 49 Wochen mit einer signifikant verbesserten kognitiven Funktion und einer besseren visuellen Kontrastempfindlichkeit (Li IC 2020). Unter Supplementierung mit Hericium kam es während der Studie (Vergleich vor der Studie vs. 25 und 49 Wochen) nicht zu erhöhten Werten von β-Amyloid (amyloid-beta peptide 1–40) und α-ACT (Alpha1-antichymotrypsin) im Blut. Plaques aus β-Amyloid sind Ablagerungen in Gehirn und Blutgefäßen von Alzheimer-Kranken, die als Hauptauslöser von Morbus Alzheimer diskutiert werden. α-ACT wird auch mit der Pathogenese der Alzheimer-Krankheit in Verbindung gebracht, da es die Bildung von Amyloid-Fibrillen bei dieser Krankheit fördert.
Weitere hämatologische Parameter, wie ApoE4 (Apolipoprotein E4) und BDNF, blieben unverändert. ApoE4 gilt als wichtigster genetischer Risikofaktor für eine Alzheimer-Erkrankung. Außerdem führte die Einnahme von Hericium zu einer verringerten strukturellen Verschlechterung in den Regionen des Fasciculus arcuatus (ARC) und des parahippocampalen Cingulums (PHC).
Schlussfolgerung:
Hericium verbessert die kognitiven Fähigkeiten, lindert Schlafstörungen sowie Symptome von Depression und Angst, was zum Teil mit verbesserten Blut-Biomarkern in Verbindung gebracht werden kann.
Literatur:
Chong PS, Fung ML, Wong KH, Lim LW. Therapeutic Potential of Hericium erinaceus for Depressive Disorder. Int J Mol Sci 21: 163 (2020) DOI: 10.3390/ijms21010163
Vigna L, Morelli F, Agnelli GM et al. Hericium erinaceus Improves Mood and Sleep Disorders in Patients Affected by Overweight or Obesity: Could Circulating Pro-BDNF and BDNF Be Potential Biomarkers? Evid Based Complement Alternat Med 2019:7861297. doi: 10.1155/2019/7861297
Saitsu Y, Nishide A, Kikushima K, Shimizu K, Ohnuki K. Improvement of cognitive functions by oral intake of Hericium erinaceus. Biomed Res 40:125-131 (2019) doi: 10.2220/biomedres.40.125
Li IC, Chang HH, Lin CH et al. Prevention of Early Alzheimer’s Disease by Erinacine A-Enriched Hericium erinaceus Mycelia Pilot Double-Blind Placebo-Controlled Study. Front Aging Neurosci 12: 155 (2020) doi: 10.3389/fnagi.2020.00155
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