WEGE DER HEILUNG Ⅰ – KLOSTERHEILKUNDE

Klosterheilkunde hat eine lange Tradition. Bereits im 6. Jahrhundert legte Benedikt von Nursia mit der Gründung der Abtei Montecassino bei Neapel und seiner „Regula Benedicti“ den Grundstein für den Benediktinerorden.  An der Schwelle von der Spätantike zum frühen Mittelalter und in den Wirren der Völkerwanderung erwiesen sich die Klöster als Bewahrer und Überlieferer von Wissen aus der Antike. So auch auf dem Gebiet der Heilkunde. Mönche und Nonnen kümmerten sich im Sinne der christlichen Nächstenliebe um Kranke und Bedürftige. Sie tauschten sich über Ländergrenzen hinweg aus, forschten und gewannen eigene Erkenntnisse. Erst mit der Etablierung von Ärzten und Apotheken wurde den Klöstern dieser wichtige Bereich weitgehend genommen.

Die heutigen Naturwissenschaften verdanken, wie auch die moderne Medizin, ihre Erfolge einer immer größeren Spezialisierung. Der Mensch wird in seine Einzelteile zerlegt und der Körper weitgehend vom Geist getrennt. Der heutige Goldstandard in der Medizin zur Beurteilung der Wirksamkeit eines Arzneimittels oder eines Wirkstoffs ist die randomisierte, Placebo kontrollierte Doppelblindstudie. Ziel ist es, möglichst viele subjektive Einflussfaktoren zu eliminieren, um objektive Ergebnisse zu erzielen. Ähnlich verhält es sich mit der Pharmakologie. Einzelne Inhaltsstoffe (z.B. einer Pflanze) werden isoliert, standardisiert und auf den Wirkstoffgehalt hin untersucht. Die Tendenz geht dahin, den Menschen und das Pharmakon auf Fakten und Zahlen zu reduzieren. Das Messbare steht im Zentrum der evidenzbasierte Medizin. Das ist auch berechtigt, dennoch zeigen sich hier gewisse Grenzen.

Versucht man nämlich der objektiven Wissenschaft zuliebe alles Subjektive, Persönliche, also Menschliche auszuschalten, läuft man Gefahr, einen wesentlichen Aspekt von Heilung, der über Jahrtausende eine große Rolle gespielt hat, zu verdrängen: Die persönliche Zuwendung des Therapeuten, die ganzheitliche Wahrnehmung seines Gegenübers mit möglichst allen Sinnen, eine besondere Achtsamkeit in der Be-Handlung und ein Verständnis dafür, dass Körper und Geist nicht voneinander isoliert sind. Diese besondere Bedeutung der Beziehung zwischen „Arzt / Therapeut / Heiler – Patient“, ist eine Grundlage von traditionellen Heilweisen, so auch der Klosterheilkunde.

 

Die Europäische Klosterheilkunde nach Pater Dr. Johannes Pausch aus dem Europakloster Gut Aich am Wolfgangsee (A) geht noch eine Schritt weiter. Ihr zufolge kann Gesundheit auch als Beziehungsfähigkeit und -erfahrung auf allen Ebenen verstanden werden. Gelingende Beziehungen führen dazu, dass der Mensch sich wohlfühlt, innerlich in Balance ist. Beziehungslosigkeit und -störungen sind oft Ursache von Erkrankungen. Diese können in manchen Fällen Aufforderung zur Veränderung, eine Chance für einen neuen Weg bzw. Anstoß für eine Lebenskorrektur sein. Die Klosterheilkunde sieht ihre Aufgabe v.a. in der Prävention. Ihre Anwendungen zielen darauf ab den Menschen zu einem Leben im Einklang mit sich selbst, anderen Menschen, der Umwelt und der Schöpfung (Transzendenz) zu verhelfen. Heilpflanzen sind eine Möglichkeit uns auf diesem Weg zu unterstützen. Es braucht aber auch eine vernünftigen Lebensgestaltung und Herzstück dieser wiederum ist „das rechte Maß“!

 

Heilkräuter, aber auch Bäume, die uns in bestimmten Situationen des Lebens helfen sollen, wirken nicht über ihre Inhaltsstoffe allein. Um von ihrer ganzen Kraft profitieren zu können, müssen wir eine Beziehung zu ihnen aufbauen, sie mit Ehrfurcht und Respekt gebrauchen. Wir sollen uns von ihnen ansprechen lassen und die Pflanze nicht nur mit dem Verstand, sondern mit allen Sinnen erfassen und begreifen. Wir müssen unsere Intuition wieder schulen. Angenommen, jede physische Wirkung hat auch eine psychische Auswirkung, dann tun Kräuter nicht nur unserem Leib, sondern auch unserer Seele gut.

 

Hier ein paar Beispiele für eine mögliche leib-seelische Wirkung (Körper und Psyche) von Heilpflanzen:

Baldrian (Valeriana officinalis) – ein traditionelles und bewährtes Beruhigungsmittel, empfohlen bei nervösen Schlafstörungen, Unruhe und Anspannung. Auf spiritueller Ebene kann er Menschen helfen, die zu sehr von ihrem Verstand bestimmt sind. “Wenn sich bei jemandem permanent Gedanken wie Bandschleifen einschleichen und den Schlaf rauben, schenke ich Ruhe und Gelassenheit.”

Holunder (Sambucus nigra) – war schon immer ein treuer Begleiter des Menschen und eine alte Schutzpflanze. Seine Blüten werde als Tee in Zeiten von grippalen Infekten verwendet. Er ist diaphoretisch, hilft dem Körper die Infektion zu bekämpfen und lindert Erkältungssymptome. Die reifen (erhitzten) Holunderbeeren sollen auch eine immunstärkende Wirkung haben. Während die weiß-gelben Blüten sich dem Himmel und der Sonne zuwenden, neigend sich die schweren Rispen mit den schwarzen Beeren der Erde zu. Dieses Bild zeigt auch den Weg menschlicher Entwicklung und Reifung. Auf spiritueller Ebene hilft die Pflanze, sich auf neue Lebensphasen einzulassen: „Ich stehe für die Urmutter, die den Prozess des ständigen Wandels von Entstehung, Wachstum und Vergehen begleitet.“

Johanniskraut (Hypericum perforatum) – eine alte Heil- und Lichtpflanze. Was ältere Menschen aus Erfahrung und Intuition wussten, konnte auch im Labor nachgewiesen werden: Die Inhaltsstoffe von Johanniskraut haben eine positive Auswirkung auf den Serotoninspiegel. Die Pflanze wird bei leichten depressiven Stimmungen, psycho-vegetativen Störungen, Angstzuständen und geistiger Erschöpfung eingesetzt. Sie speichert das Licht der Sonne und des Sommers und gibt es in der dunklen Jahreszeit, an uns ab. “Ich bringe wieder Licht in Leib und Seele und helle die Stimmung auf.”

Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus) – ein „Neuling“, der nach der Entdeckung Amerikas zu uns kam und schnell seinen Weg in die Bauerngärten fand, wo sie als „Bauernpenicillin“ Verbreitung fand. Vor allem die würzigen Substanzen der Pflanze sind für die antimikrobielle Wirkung verantwortlich – sowohl bei Harnwegsinfekten wie auch als vorbeugende Maßnahme in Zeiten der Grippe. „Auf emotionaler Ebene eigne ich mich für Menschen, die sich ausgelaugt und kraftlos fühlen. Ich fördere Lebensfreude und symbolisiere das funkelnde Feuer des Lebens. Ich versorge Menschen, die sich lieber in die eigenen vier Wände zurückziehen, mit der nötigen Energie, um wieder unternehmungslustig zu werden.”

Einer Pflanze geben wir hier mehr Raum. Sie ist zwar ein uraltes Heilmittel und heute noch gut bekannt und geschätzt, aber wir wollen explizit auf ihre wunderbaren Wirkungen und ein paar ganz spezielle Einsatzmöglichkeiten hinweisen:

Echter Salbei (Salvia officinalis) – ein altes Universalheilmittel. Im Mittelalter und in der Neuzeit galt ein Extrakt aus Salbeiblättern als verjüngendes Stärkungsmittel und war damit Bestandteil vieler Lebenselixiere. Aus heutiger Sicht ließe sich das u.a. auf die Bitterstoffe zurückführen, die allgemein tonisierend wirken. Er war auch bekannt als Kopf- und Nerventonikum, das den Geist und das Gedächtnis stärkte und die Sinne belebte. Tatsächlich gibt es mittlerweile Untersuchungen, die eine positive Wirkung auf das Zentralnervensystem erkennen lassen (z.B. Verbesserung  der Gedächtnisleistung, der Aufmerksamkeit und der Stimmungslage bei gesunden Menschen). Auch auf spiritueller Ebene zeigt sich die Kraft des Salbeis in Angstsituationen des Lebens. Er verleiht dabei die nötige Kraft in der eigenen Mitte, die man in Schwellen- oder Veränderungssituationen wieder spüren sollte. Eine Essenz von Salbei eignet sich daher besonders für die späteren Jahre. Sie soll helfen ruhig und unvoreingenommen zu akzeptieren, was das Leben uns vorgibt. Die eigene Weisheit, die aus der Erfahrung des Lebens kommt, wird gestärkt, so ist es möglich mit dem spirituellen Selbst in Kontakt zu treten, einen höheren Sinn im Leben zu erkennen und inneren Frieden zu finden. – Ein wunderbares Mittel also für „die Frau im Wechsel“ auf ihrem Weg zur gereiften Frau, spirituell wie auch pharmakologisch. Viele Frauen leiden in der Zeit der hormonellen Umstellung unter typischen Wechseljahrs-Symptomen wie Ein- und Durchschlafproblemen, Stimmungsschwankungen, Erschöpfung, Vergesslichkeit, Gereiztheit oder Traurigkeit. Als oben beschriebenes „Kopf- und Nerventonikum“ könnte der Salbei hier gut eingesetzt werden. Hitzewallungen (Flushes) und Nachtschweiß sind für sehr viele Frauen in dieser Zeit eine wahre Belastung. Dabei ist die positive Wirkung der innerlichen Anwendung des Salbei bei vermehrter Schweißsekretion wissenschaftlich nachgewiesen und daher anerkannt. Bestimmte Inhaltsstoffe des Salbeis können offenbar die Nervenfasern der Schweißdrüsen hemmen und somit die Schweißproduktion mindern. Studien zeigten zudem, dass Salbei nicht nur das nächtliche Schwitzen in der Menopause positiv beeinflusst, sondern auch die Flushsymptomatik dosisabhängig stark verbessert.
So manche Pflanze, der man östrogenartige Wirkung nachsagt oder nachweist, wird ausprobiert. Selten der Salbei. Dabei deckt er so viele Komponenten dieser Lebensphase ab. Einen Versuch ist es allemal wert. Wie bei den meisten traditionellen Heilpflanzen braucht man allerdings Geduld und ein bisschen Gespür für sich selbst und was einem gut tut.

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