Der Sommer lädt zu Streifzügen durch unsere Wälder ein. Sprichwörtliches „Baden“ im Wald ist nicht nur für Kinder eine Freude, sondern schenkt uns spielerische Leichtigkeit und ist obendrein gesund. Die präventiven und therapeutischen Effekte des „Waldbadens“ sind mittlerweile wissenschaftlich erwiesen. In Japan ist diese Therapieform seit einigen Jahren offiziell anerkannt. Darüber hinaus kommen wir im Wald wieder in Beziehung zur Natur und speziell Bäume können für uns spirituelle Begleiter sein.
Viriditas – die Grünkraft
Die Äbtissin und Universalgelehrte Hildegard von Bingen wusste bereits im 12. Jahrhundert um die heilende Grünkraft unserer Wälder:
„Es gibt eine Kraft aus der Ewigkeit und die ist grün. (…) Du edelstes Grün, das seine Wurzeln in der Sonne hat und das in heiterem hellem Glanz im Kreis leuchtet, von keiner irdischen Intelligenz zu begreifen, Du bist umfangen von der großen Umarmung der göttlichen Geheimnisse. Wie die Morgenröte strahlst du und glühst wie das Feuer der Sonne.“ (Hildegard von Bingen)
In Hildegards Schriften findet sich die Grünkraft als „Viriditas“. In dem Begriff steckt das lateinische Adjektiv „viridis“. Damit war das Grün der Pflanzen, des Meeres, des jungen und zarten Getreides gemeint, es bedeutet aber auch grasreich, baumreich und im übertragenen Sinn „jugendlich, frisch“. Das Hauptwort „viriditas“ steht im Lateinischen allgemein für das Grün und meinte auch Frische, Lebhaftigkeit, Munterkeit im Sinne von Kraft und Gesundheit. Grün bedeutete für Hildegard Lebenskraft schlechthin und Grundlage jeder Heilung.
Interessant ist, dass sich diese Kraft ihrer Ansicht nach durch monotone Tätigkeiten abschwächt, jedoch durch einen Aufenthalt in der Natur, zum Beispiel durch Wandern, wieder auffrischen lässt.
Im Meer aus Grün baden
In der Farbtherapie gilt Grün als kühlend, lindernd sowie beruhigend auf Körper und Geist. Grün entfaltet eine entspannende Wirkung auf Blutgefäße und kann Bluthochdruck mildern. Grün hat außerdem eine wachstumsfördernde Wirkung auf Muskeln und Gewebe. Es stimuliert die Hypophyse und stabilisiert Glückshormone.
Im Wald finden wir tausende Grüntöne. Bei einem Spaziergang im Wald nehmen wir diese schier unendliche Vielfalt an Grüntönen auf. Der Sommer ist ideal für einen „Badeausflug“ in den Wald – am besten in einem Laub-Mischwald, wo wir noch mehr unterschiedliche Grüntöne wahrnehmen können als im reinen Nadelwald. Der häufigste Laubbaum, der uns im Sommer kühlt und erfrischt, ist die Buche.
Bei der Buche Kraft und Ruhe tanken
„Ich bin die Rot-Buche, der häufigste Laubbaum in den heimischen Wäldern. Rot trage ich in meinem Namen wegen der Farbe des geschlagenen Holzes und nicht wegen des Farbtons meines Blattwerkes. Kein anderer Laubbaum hat eine so dichte Krone wie ich – bis zu 600.000 Blätter tanzen an meinen Zweigen. An heißen Sommertagen verdunsten täglich bis zu 200 Liter Wasser über die Blätter und ich produziere den Sauerstoffbedarf von drei Menschen. Mein Blätterdach schützt mich vor Hitze und Kälte – anders als die Nadelbäume habe ich nämlich nur eine dünne, sehr glatte Rinde.
Auf Grund dieser kühlen, glatten Rinde wirke ich edel. Manche meinen in mir sogar eine gewisse Strenge oder Überheblichkeit zu sehen. Ich vermag aber nicht nur zu kühlen, sondern auch Erfrischung und Klarheit zu geben. Wenn die Gedanken im Kopf Karussell fahren und ihr den Durchblick verloren habt, dann kommt zu mir. Lehne deine Stirn an meine kühle Rinde, atme tief durch. Ich schenke dir Kraft und Ruhe, damit du wieder klarer sehen kannst. Mit meinen ‚Augen‘ schaue ich euch an und lade euch ein, den Kontakt zu mir zu suchen. Ich möchte euch dazu ermutigen nicht immer alles mit dem Kopf lösen zu wollen.
Ich bin auch bekannt dafür, dass ich über meine Wurzeln Nachbarbäume und kleine Baumkinder mit lebenswichtigen Nährstoffen versorge, wenn diese sie dringend brauchen. So nennt man mich auch ‚Mutter im Wald‘, weise Großmutter, die mitfühlende Trösterin und Ratgeberin in Krisenzeiten. Als solche spende ich Trost und Energie.“
Das wussten „die ALTEN“ über die Buche
Die Buchen waren für unsere Vorfahren heilige Bäume. Unter ihnen wurden Rituale vollzogen. Die Kelten ritzten geheime Zeichen, die Runen, in Buchenstäbe und weissagten mit ihnen. Man maß den geheimen Zeichen heilsame und schützende Kräfte zu. Die Herkunft des deutschen Wortes für Buche und Buch leitet sich aus dem gotischen „boka“ ab, was Buchstabe bedeutete.
Früher war es üblich Buchenasche mit Wasser zu übergießen und über Nacht stehen zu lassen. Dann wurde die Lauge abgefiltert und zur Reinigung von Wäsche, Holzgeschirr und Fußboden verwendet. Damit wurden nicht nur Schmutzflecken entfernt, sondern auch das Holz bakterienfrei gehalten. Die fein zermahlene Rinde verwendete man zum Strecken von Brotmehl und aus den Bucheckern wurde Öl gepresst. In manchen Gegenden war die Bettlaubnutzung bis ins 20. Jahrhundert üblich. Dabei diente vorwiegend das Buchenlaub als Füllung für Matratzen und Bettdecken. Einer der Vorteile war u.a. die beruhigende Wirkung des Duftes der Buchenblätter für einen tiefen Schlaf.
Etwa alle sieben Jahre gibt es besonders viele Bucheckern und dann trieben die Menschen früher die Schweine in den Wald, um sie mit den fettreichen Bucheckern zu mästen. Die Bucheckern wurden auch als Kaffeeersatz geröstet und die Buchenblätter dienten als Tabakersatz.
Verwendung in der Volksheilkunde
Volksheilkundlich ist die Buche mittlerweile in Vergessenheit geraten. Früher wurde sie als fiebersenkendes Mittel eingesetzt und hierzu ein Tee aus der Rinde zubereitet. Buchenasche wurde auch mit Johanniskrautöl und einem Teeauszug aus Malven zu einer Paste verrieben und als heilendes Mittel bei Geschwüren und Wunden bei Mensch und Tier angewendet. Geschwüre behandelte man auch mit einem kühlenden Wickel aus den Blättern. Buchenkohle fand Verwendung bei Durchfall und wurde unterstützend zur Entgiftung angewendet. Buchenasche diente auch als Basis für Zahncremes.
Bachblüte „Bleech“
Sie gilt als „Toleranzblüte“ und kann überkritischen Menschen helfen sich selbst und anderen Menschen gegenüber aufgeschlossener und toleranter zu sein.
Gemmotherapie
Präparate aus den Buchenknospen werden zur Stärkung des Organismus bei Allergien eingesetzt.
Verwendete Pflanzenteile
Blätter, Blüten, Knospen, Früchte, Rinde
Besondere Inhaltsstoffe und Eigenschaften
Blätter: Flavonolglykoside, ätherische Öle, Gerbstoff, Vitamin C;
Früchte: Globuline, fette Öle, Wachs, Blausäureglykoside;
Rinde: Harze, Glucovanillin, Gerbstoffe, Suberin;
Über die Autorin:
Mag. Verena Reisinger ist FNL-Heilkräuter- und Knospenexpertin. Seit über 10 Jahren vermittelt sie, u.a. gemeinsam mit Pater Johannes Pausch aus dem Europakloster Gut Aich, Wissen über die Verwendung von Wildpflanzen und Bäumen. Sie ist freie Vortragende und Autorin. www.knosperl.at