Vegane Ernährung liegt absolut im Trend, dies zeigt allein der Blick in die Supermarktregale. Das Angebot wird immer größer und vielfältiger. Umso wichtiger ist es, genauer darüber Bescheid zu wissen.
Worauf ist zu achten, wenn man sich vegan ernährt? Für wen ist es geeignet und für wen eher nicht oder eingeschränkt? Gibt es gesundheitliche Vorteile?
Die Motivation zur veganen Ernährung lässt sich auf die Gesundheit, die Religion, den Umweltschutz sowie weltanschauliche Belange einschränken. Ob sie tatsächlich ernährungsphysiologische Vorteil bringt,
hängt von der Lebensmittelauswahl sowie ergänzenden Nährstoffpräparaten ab. Beinhaltet der Speiseplan eine breite Vielfalt an Gemüse, Hülsenfrüchten, Pilzen, Obst, Getreide- bzw. Vollkornprodukten, Nüssen, Samen, Pflanzenölen und angereicherten Lebensmitteln, ist der Benefit gut nachvollziehbar. Eine vegane Ernährung ohne entsprechende Sorgfalt und Ernährungswissen wird von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) hingegen kritisch betrachtet. Hier wird lieber auf den ernährungsphysiologischen Vorteil der vegetarischen Kostform verwiesen, die je nach Ausrichtung tierische Lebensmittel wie Milch- und Milchprodukte, Eier und teilweise sogar Fisch zulässt.
Geringeres Krebsrisiko
Langzeitstudien zeigen, dass Menschen mit pflanzenbasierter Ernährung ein geringeres Krebsrisiko aufweisen. So zeigten Untersuchungen mit über 60.000 Teilnehmern (Fischesser, Vegetarier, Veganer), dass die fleischlose Küche das Krebsrisiko signifikant senken kann, wobei die Veganer am deutlichsten profitierten. Weitere Studien betonen insbesondere das reduzierte Risiko für Brust- und Eierstockkrebs.
Metabolische Vorteile
Auch das Risiko für Diabetes sowie für Herz-Kreislauf-Erkrankungen lässt sich durch eine pflanzenbasierte Ernährung eindrucksvoll reduzieren. Der Benefit wird insbesondere auf den höheren Anteil an Ballaststoffen,
Antioxidantien und Mikronährstoffen (Vollkorn, Gemüse, Hülsenfrüchten, Nüsse) sowie auf die geringere Aufnahme gesättigter Fettsäuren und Transfettsäuren zurückgeführt. Zudem liegt der Body Mass Index (BMI) von VeganerInnen im Durchschnitt etwas niedriger, verglichen mit Fleischessern.
Kritische Nährstoffe
Ausschlaggebend für die guten Gesundheitsparameter der Veganer ist sicherlich neben der Ernährung auch der gesündere Lebensstil im Allgemeinen: Nicht-Rauchen, wenig Alkohol und ausreichend Bewegung. Dennoch ist es wichtig zu erwähnen, dass eine strikte fleischlose Kostform nicht für alle gleich gut geeignet ist. Werden die Nahrungsmittel nicht abwechslungsreich und sorgfältig ausgewählt, kann die eingeschränkte Lebensmittelauswahl in bestimmten Lebensphasen zu erheblichen Vitalstoffdefiziten führen. Und hier liegt bereits der größte Kritikpunkt an einer streng veganen Ernährung.
Vitamin B12 – größtes Risiko
Der häufigste Nährstoffmangel bei Veganern betrifft Vitamin B12 (Cobalamin), das hauptsächlich in tierischen Produkten wie Fleisch, Fisch, Eiern, Milch und Milchprodukten zu finden ist. Pflanzliche Quellen an B12 sind spärlich und nur in Spuren in Shiitake-Pilzen, Nori-Algen sowie Wurzel- und Knollengemüse zu finden. Bessere Lieferanten sind vergorene Produkte, da das Vitamin von Mikroorganismen produziert wird. Dazu
zählen Sauerkraut, fermentierte Sojaprodukte, Miso, Kimchi & Co, wobei die beteiligten Mikroorganismen neben aktiven Cobalaminen auch inaktive Formen produzieren, die keinerlei physiologische Funktion ausüben. Daher gilt die dringliche Empfehlung für vegan lebende Menschen den Vitamin B12-Spiegel regelmäßig zu kontrollieren und gegebenenfalls zu supplementieren. Unspezifische Symptome für einen B12-Mangel sind v.a. chronische Müdigkeit, Kopfschmerzen, Depressionen, Hautprobleme und geistige Erschöpfung. Bei Verdacht eines B12-Mangels empfiehlt sich eine tägliche Ergänzung mit allen acht B-Vitaminen (B-Komplex).
Definition:
Bei der veganen Ernährung werden ausschließlich pflanzliche Lebensmittel verzehrt. Alle tierischen Produkte wie Fleisch, Fisch, Milch, Honig und Eier werden abgelehnt. Viele vegan lebende Menschen beziehen sich nicht nur auf Nahrungsmittel, sie meiden die Nutzung von Tieren und tierische Produkte in allen Lebensbereichen. So tragen sie keine Kleidung aus Leder, Pelz, Daunen, Wolle oder Seide und verwenden Kosmetikprodukte ohne tierische Inhaltsstoffen. Veganer handeln meist aus ethischen Gründen, sowie für die Gesundheit und die Umwelt.
Vitamin D – doppelt ausgebremst
Vitamin D ist vorwiegend in tierischen Produkten zu finden. Pflanzliche Vitamin D Lieferanten sind rar und bewegen sich zwischen Avocado, einigen Speisepilzen (Champignons, Eierschwammerl (Pfifferlinge)) und Nüssen. Ein Vitamin D-Defizit kann bei veganer Kost durch das fehlende Cholesterin über die Nahrung noch zusätzlich intensiviert werden, da die körpereigene Synthese auf ausreichende Cholesterinreserven in der
Haut angewiesen ist. Je nach Calcidiol-Spiegel (25-OH-Vitamin D3) werden für Erwachsene 2.000-4.000 I.E Vitamin D3/ Tag empfohlen.
Eisen – Klassiker Anämie?
Die Eisenzufuhr über eine vegane Kost ist in der Regel genauso hoch, wenn nicht sogar höher, verglichen mit einer Mischkost. Naturgemäß verwertet der Körper das Eisen aus pflanzlichen Lebensmitteln (Nicht-Häm-Eisen) etwas geringer, verglichen mit Eisen aus tierischen Lebensmitteln (Häm-Eisen). Dennoch scheint die Versorgung auch bei Veganern ausreichend zu sein, solange kein Mehrbedarf, u.a. bei Blutverlust, Stress oder intensivem Sport, gedeckt werden muss. Gute Eisenquellen sind Hülsenfrüchte, Samen, Nüsse, Vollkorngetreide, verschiedene Gemüsearten wie Spinat, Schwarzwurzeln sowie Beerenobst. Bei Verdacht eines Eisenmangels empfehlen sich Ergänzungen mit rund 15-20 mg an gut verträglichem Eisen pro Tag (z.B. aus dem Curryblatt oder kombiniert mit Vitamin C, das die Resorption von Eisen fördert).
Jod – Wachstumsbremse Jodmangel
In der veganen Ernährung fallen wichtige Jodquellen weg und pflanzliche Alternativen sind, bis auf jodiertes Speisesalz und Nori-Algen, kaum vorhanden. Fehlt Jod als essenzielles Spurenelement zur Bildung der Schilddrüsenhormone, kann es zu Antriebslosigkeit, trockener Haut und Entwicklungsstörungen kommen. Besonders heikel gestaltet sich ein Jodmangel in der Schwangerschaft und bei Kindern. Eine Supplementierung liegt meist im Bereich von 100-150 (μg) mcg Jod pro Tag, z.B. als natürliches Jod in Form der Jodalge.
Weitere kritische Mikronährstoffe
So werden auch Zink, Selen und Calcium als kritische Nährstoffe in der veganen Küche gelistet, wobei genannte Vitalstoffe in pflanzlichen Lebensmitteln ausreichend vertreten sind. Auch hier ist ein Mangel erst bei erhöhtem Bedarf zu erkennen. So liefern Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Pilze, Lauch- und Kohlgemüse, Spargel, Samen und Nüsse ein breites Portfolio an genannten Vitalstoffen. Für die Calciumzufuhr kann zusätzlich zu calciumreichem Mineralwasser (> 150 mg Calcium pro Liter) gegriffen werden. Bei einer mangelhaften Versorgung können Supplemente mit 15-25 mg Zink, 75-150 μg (mcg) Selen sowie Magnesium (300-400 mg) und Calcium (400-600 mg) den Bedarf gut abdecken.
Eiweiß – essenzielle Aminosäuren
Protein gilt bei veganer Ernährung als potenziell kritischer Nährstoff, da die bedarfsdeckende Zufuhr an essenziellen Aminosäuren in allen Altersgruppen nicht gewährleistet werden kann. Gerade bei Säuglingen und Kindern ist eine lückenlose Deckung des Proteinbedarfs aufgrund des Wachstums besonders wichtig.
WICHTIG FÜR DEN KÖRPER
Im menschlichen Körper werden 20 Aminosäuren für den Proteinstoffwechsel benötigt. Neun dieser Aminosäuren sind essenziell (Histidin, Isoleucin, Leucin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Threonin, Tryptophan und Valin) und müssen über die Nahrung zugeführt werden.
Biologische Wertigkeit
Pflanzliche Lebensmittel weisen im Vergleich zu tierischen Lebensmitteln meist eine geringere Proteinqualität auf. Das bedeutet, dass genannte essenzielle Aminosäuren zwar über pflanzliche Lebensmittel konsumiert werden können, doch wesentlich mehr davon gegessen werden muss, um den gleichen Effekt zu erzielen. Noch dazu ist eine wesentlich breitere Vielfalt pflanzlicher Eiweißträger gefragt, um den Bedarf ausreichend
zu decken. Kurzum, was aus Sicht der Proteine oft mit einem einzigen Hühnerei gedeckt werden kann, muss sich der Veganer mit gutem Hintergrundwissen und kreativer Küche erst erarbeiten.
Limitierende Aminosäure
Dass pflanzliche Eiweißträger die tierischen Proteinlieferanten nicht 1:1 ersetzen können, zeigen folgende Beispiele: So enthalten Hülsenfrüchte wie Sojabohnen, Linsen und Bohnen nur geringe Mengen an Methionin, Weizen nur eingeschränkt Lysin und Mais nur wenig Tryptophan. Diese Lücke im Aminosäureprofil wird gerne als limitierende Aminosäuren bezeichnet und kann durch die gezielte Kombination verschiedener pflanzlicher Lebensmittel fachgerecht gefüllt werden. In der Summe wird die Proteinqualität erhöht und der Bedarf ausreichend gut gedeckt.
Omega-3 Fettsäuren
Die Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäuren (DHA) werden vor allem über Fisch und Fischprodukte zugeführt. Selbst das hochwertige Leinöl stellt diesbezüglich keinen vollwertigen Ersatz dar, da die Umwandlungsrate von Alpha-Linolensäure aus dem Leinöl zu Eicosapentaensäure mit acht bis 20 Prozent gering ist. Mögliche Folgen sind trockene Haut, Lernschwierigkeiten, Neigung zu Asthma, erhöhte Allergieneigung, Wachstumsstörungen, sowie in der Embryonalphase und Wachstumsphase eine ungenügende Entwicklung des Gehirns. Eine adäquate vegane Quelle für EPA und DHA stellen Algenöle dar.
Sensible Lebensphasen
Personen, die sich in sensiblen Lebensphasen wie Schwangerschaft, Stillzeit, Säuglings-, Kindes- und Jugendalter befinden, haben grundsätzlich einen höheren Nährstoffbedarf. Daher wird von der DGE eine vegane Ernährung in genannten Phasen ohne ergänzende Präparate nicht empfohlen! Das Risiko einer veganen Ernährung bei schwangeren Müttern sowie für vegan ernährte Kinder liegt in möglichen Entwicklungsstörungen der Kinder. Genannt werden insbesondere Störungen der Blutbildung (Eisen- und Vitamin-B12-Mangel), Wachstumsverzögerung (Energie- bzw. Protein-Mangel) und teilweise irreversible neurologische Störungen wie mentale Retardierung (Mangel an Vitamin B12 und Jod). Eine unzureichende Versorgung der Mutter mit der langkettigen Omega-3 Fettsäure Docosahexaensäure (DHA) kann beispielsweise die Entwicklung von Gehirn und Augen-Netzhaut des Säuglings negativ beeinflussen.
Vegane Fertiggerichte
Im Handel wird ein reichhaltiges Sortiment veganer Fertigund Ersatzprodukte angeboten. Dabei handelt es sich teilweise um stark verarbeitete Produkte mit einem hohen Gehalt an Zucker, Speisesalz, Fett und Zusatzstoffen. Derartige Lebensmittel können aus ernährungsphysiologischer Sicht nicht empfohlen werden. Andererseits sind vegane Fertig- oder Ersatzprodukte teilweise mit Vitaminen und Mineralstoffen angereichert und können dadurch einen nennenswerten Beitrag zur Nährstoffversorgung leisten. Hier gilt es kritisch zu bleiben und die Qualität des Lebensmittels nicht außer Acht zu lassen.
Vegan oder vegetarisch?
Viele Studien zeigen, dass die gesundheitlichen Vorteile einer pflanzlichen Ernährung sowohl für Vegetarier als auch für Veganer gelten. Diese fallen vielleicht in manchen Belangen für Veganer eine Spur deutlicher aus. Dennoch lässt dies noch keinen eindeutigen Vorteil gegenüber der vegetarischen Kostform erkennen.
Fazit
Wer sich gesund ernähren möchte, sollte sich weniger von der Definition „vegan“ oder „vegetarisch“ leiten lassen, sondern vielmehr die Auswahl nährstoffreicher, unverarbeiteter Lebensmittel wie Vollkornprodukte, Gemüse, Früchte, Hülsenfrüchte und Nüsse ins Zentrum stellen. Unterm Strich ist es wichtig den Körper mit allen wichtigen Nährstoffen zu versorgen – egal, ob Fleischesser, Vegetarier oder Veganer. Ein Pluspunkt für Vegetarier und Veganer ist jedenfalls der reduzierte individuelle ökologische Fußabdruck.
Quelle:
Natürlich besser leben – Das Gesundheitsmagazin aus Salzburg | Herbst / Winter 2021
Artikel: “VEGAN IST TREND – Ernährung mit Potenzial oder Defiziten?”
Text: Mag. Larissa Grünwald, Ernährungswissenschafterin