Zu jeder Zeit und in jeder Region war der Mensch auf der Suche nach stimulierenden, psychedelischen oder leistungssteigernden Substanzen. Fündig wurde man in erster Linie in der Pilz- und Pflanzenwelt. Irgendwann war die Natur nur mehr Lehrmeister und viele solcher Substanzen (Drogen) wurden synthetisch hergestellt. Heute gibt es eine Vielzahl gefährlicher, illegal gewonnener, vertriebener und mit weitreichenden Folgen konsumierter Substanzen (Crystal Meth, Speed etc.)
Wir wollen einen Blick in die Vergangenheit machen, in die Steiermark des 19. und 20. Jahrhunderts, in die Welt der armen Berg- und Waldarbeiter, der Knechte, Mägde und Senner. Welche geheimen Mittelchen nutzten sie für solche Zwecke?
„Hittrach“ – Geheimnisvolle Droge unserer Vorfahren
Arsen oder Arsenik ist eigentlich als Mordgift bekannt („Erbschaftspulver“ oder „Witwenmacher“). Wer erinnert sich nicht an die Hollywood-Komödie „Arsen und Spitzenhäubchen“. Es ist als Gift nicht nachweisbar und in geringen Dosen zugeführt, kann sich der Körper daran gewöhnen, so dass man sich bis zu einem gewissen Grad „immunisieren“ konnte. Für manche Herrschende offenbar überlebenswichtig. Dabei machte man die Erfahrung, dass es in geringen Dosen anregend, leistungssteigernd, stärkend, den Geist befreiend und sogar aphrodisierend wirkte. Arsenik war also ein Stimulans und Roborans und bekannt in bestimmten Regionen der Steiermark und in Tirol, wo Arsen abgebaut wurde. Es legte sich bei der Verhüttung an den Innenwänden der Öfen ab und konnte von dort abgekratzt werden. Daher sein umgangssprachlicher Name „Hittrach, Hüttrach, Hüttenrauch“. Solche Arsenik-Stückchen wurden gelutscht oder pulverisiert und auf Lebensmittel gestreut. Blöd war nur, dass „Hittrach“, wie viele andere Drogen, die zu angenehmen Gefühlen, zur Stärkung und zu kurzfristig mehr Energie führen, auch körperlich abhängig macht und zu Entzugserscheinungen führt. Welche dauerhaften Schädigungen es gab, ist wenig bekannt.
Arsenik war vom Mittelalter bis nach dem 2. Weltkrieg und mancherorts heimlich bis in die 1970er Jahre in Gebrauch. Allerdings wurde nicht gerne darüber geredet, man schämte sich offenbar. Es ist auch Ausdruck einer entbehrungsreichen Gegend und Zeit, in der körperliche Anstrengung, schwere Arbeit bis zur Erschöpfung und Auszehrung üblich waren. Arsenik war beliebt bei Vieh- und Holzarbeitern, aber auch bei Wilderern. Gerne wurde es Pferden ins Fressen gemischt oder an die Kandare gebunden. Sie waren im steilen Gelände leistungsfähiger und zeigten sich am Viehmarkt von ausgezeichneter Vitalität – mit glänzendem Fell und gut genährt. Arsenik ist appetitanregend, wärmt den Magen und führt daher zu Gewichtszunahme. Diese Wirkung war allerdings nicht von langer Dauer und verkehrte sich ins Gegenteil, wenn Arsenik abgesetzt wurde.
Also doch keine Wunderdroge, sondern vielmehr ein Täuschungsmittel oder eine kurzfristige Verjüngung und Kräftigung, zu einem hohen Preis. Wie auch der steirische Volksdichter des 19. Jahrhunderts, Peter Rosegger, das ihm nicht unbekannte „Arsenessen“ seiner Landsleute sehr weise kommentierte: Das sei nichts anderes als ein Überrest des mittelalterlichen Gesundheitselixiers des Teufels. “Man trank es, wurde jung und nach einiger Zeit vom Teufel geholt.”
Stärkungsmittel in der Naturheilkunde
In der Naturheilkunde können wir auf, nicht ganz so massiv wirkende, dafür aber nebenwirkungsarme tonisierende Kräuter verweisen. Und Sie müssen keine Angst haben, dass es „Teufelszeug“ ist:
Ginseng gilt in China seit jeher als hochgeschätztes Stimulans und Tonikum. Zudem wirkt es auch adaptogen. Also in Zeiten von Anstrengungen aller Art, für Konzentration und bei Stress ein idealer Begleiter.
Ebenfalls aus Asien stammt der Cordyceps, auch als Chinesischer oder Tibetischer Raupenpilz bekannt. Beobachtet wurde die tonisierende, vitalisierende Wirkung bei den Yaks, den Rindern im Hochland des Himalaya. Sherpas sollen dank Cordyceps trotz der dünnen Höhenluft kaum Leistungseinbußen gehabt haben. Bei älteren Menschen kann er die sportliche Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden steigern. Ebenso kann er stärkend wirken bei Müdigkeit, geringem Sexualtrieb und in der Rekonvaleszenz nach längerer Krankheit.
In Skandinavien und Russland gilt die Rosenwurz als traditionelles Heilmittel. Sie ist ein bewährtes Adaptogen und kann eingesetzt werden bei Stress und geistiger Ermüdung, bei depressiven Symptomen und für mehr körperliche Leistung.
Hierzulande wurde jungen Hühnern und Enten gerne Brennnesselspinat und Brennnesselsamen gefüttert zur Kräftigung und für gutes Gedeihen. Schließlich entdeckten die Menschen, dass Brennnesselsamen auch für sie selbst ein sehr gutes Tonikum ist, das mitunter als Aphrodisiakum oder wie ein „Viagra der Alpen“ wirken konnte.
Von der Meisterwurz erzählt man sich im alpinen Raum, dass sich Sennerinnen und Knechte bei schwerer Arbeit und ständiger körperlicher Anstrengung zwischendurch Kraft und Energie durch das Kauen oder Lutschen einer getrockneten Meisterwurz geholt haben.
Ganz allgemein regen Bitterstoffe nicht nur den Stoffwechsel an, sondern stärken Körper und Psyche. Bei Antriebs- und Mutlosigkeit können sie helfen Depressionen zu mindern und Entscheidungen zu treffen. Sie bringen uns in Zeiten von Unsicherheit und Stagnation in Bewegung (Körper, Geist und Seele). Denken Sie dabei an die bei uns heimischen Bitterkräuter, wie besagte Meisterwurz, Engelwurz, Enzianwurzel, Löwenzahn, Wermut, Schafgarbe etc.