Der Klassiker unter den mediterranen Gewürzen mit seinem würzigen, bitter-süßen Aroma schenkt allen Speisen eine warme, harmonische Geschmacksnote. In der Hausapotheke ist der Thymian seit jeher unverzichtbar als probates Hustenmittel. Mit seinen wärmenden Eigenschaften hat er gerade in der feucht-kalten Jahreszeit Saison.
Wenn ich die Augen schließe und an den Thymian denke, steigt in mir eine Dufterinnerung an den Sommer auf. Ich wandere über Almmatten und ein intensiver, würzig-scharfer Duft liegt in der Luft. Ich rieche ihn schon lange, bevor ich das Kraut sehe. Der Duft stammt vom Feld- oder Gebirgs-Thymian, auch als Quendel bekannt. Es ist die „wilde“ Variante des sogenannten „Echten Thymian“ (Thymus vulgaris), den viele aus dem Kräutergarten oder -töpfchen kennen. Ich kann gar nicht anders, als mich zu bücken und ein paar Blättchen und Blüten zu kosten. Seine Wärme ist unmittelbar durchdringend – vom Brustbein ausgehend, verbreitet sie sich bis in die Lungen und in den Magen hinein.
Mythologie und Brauchtum
Die wärmende Kraft des Thymians nutzten die Menschen bereits in der griechischen Antike. Dort griff man zu Thymian als Räuchermittel, wenn man den Geist anregen und das Gemüt erhellen wollte. So geht auch sein Name zurück auf das griechische Wort „thýmos“, das Mut, Kraft, Tapferkeit oder Stärke bedeutet, aber auch mit „Seele“ oder „inneres Feuer“ übersetzt werden kann.
Eine weitere Wurzel liegt im Verb „thýein“ für „Opfer darbringen“ oder „räuchern“.
Bei den Römern vertrauten die Krieger auf ein Thymianbad, das ihnen Stärke und Mut für den Kampf schenken sollte. Auch bei den Ägyptern war Thymian bekannt und wurde für Einbalsamierungsrituale verwendet.
Die Germanen weihten den Thymian der Göttin Freya, die als Liebesgöttin für Fruchtbarkeit stand. Thymian ist auch ein Bettstrohkraut, das in der Volksheilkunde zur Geburtshilfe verwendet wurde. Aus Südtirol ist bis ins 20. Jahrhundert der Brauch überliefert, beim Fronleichnamsfest Jungfrauen Thymian ins Haar zu flechten. Dadurch sollten sie der Überlieferung nach unwiderstehlich werden. Kranken Menschen wurden an diesem Tag Thymiankränze auf den Kopf gelegt. Mit Thymian, der zu Johanni gepflückt wurde, räucherte man am Heiligen Abend Jungwälder aus, damit sie gut gedeihen.
Altes Heilkraut
Es gibt unzählige schriftliche Überlieferungen, dass die mediterrane Heilpflanze als Küchen- und Heilkraut geschätzt wurde. Der berühmte griechische Arzt Hippokrates (460 – 377 v. Chr.) setzte den Thymian mit Erfolg zur Behandlung von Atemwegserkrankungen ein.
Die Universalgelehrte und Äbtissin Hildegard von Bingen empfahl Quendel für reine Haut und zur Stärkung des Gedächtnisses. Ihr bekanntestes Haut-Rezept ist die Dinkelgrieß-Quendelsuppe, bei der getrocknetes, pulverisiertes Quendelpulver in der Suppe mitgekocht wird. Bei Vergesslichkeit riet Hildegard zu Quendel-Keksen (Plätzchen mit Quendel-Pulver). Vielleicht nutzen Sie die vorweihnachtliche Kekse-Backzeit, um Quendelpulver in Ihre süßen Köstlichkeiten zu mischen – und ganz nebenbei von seiner positiven Wirkung zu profitieren.
Heilkraft für die Bronchien
Auch heute greifen wir gerne auf den Thymian als Heilpflanze zurück – gerade jetzt, wenn die Erkältungen und Infektionskrankheiten wieder Hochkonjunktur haben, denn Thymian gehört zu Recht zu den wichtigsten Heilpflanzen für das Bronchialsystem. Die keimhemmende, schleimlösende, auswurffördernde und entzündungshemmende Wirkung verdankt der Thymian einem hohen Gehalt an verschiedenen ätherischen Ölen. Sie sorgen u.a. dafür, dass die Flimmerhärchen auf den Schleimhäuten der Atemwege aktiviert werden, die den zähen Schleim allmählich verflüssigen, auflösen und so das Abhusten erleichtern. Offiziell wird er eingestuft als traditionelles Heilmittel zur Förderung des produktiven Hustens bei Erkältungskrankheiten und speziell als Expektorans.
Erfolgreich im Kampf gegen Viren und Bakterien
Ätherisches Thymianöl kann als Öl selbst aber auch als Thymian-Tee das Wachstum von Bakterienstämmen hemmen. Studien zeigen hier, dass Thymol nicht nur die Zahl der Erreger, sondern auch die Gefahr einer Resistenz-Entstehung dezimieren kann und es selbst mit antibiotika-resistenten Bakterienstämmen, wie den gefürchteten Krankenhauskeimen aufnimmt. Der Volksmund spricht daher auch vom „natürlichen Antibiotikum“.
Auch die TEM (Traditionelle Europäische Medizin) vertraut auf den Thymian bei Bronchialerkrankungen. Er wird als stark „warm-trocken“ beschrieben und vor allem bei Erkrankungen angewendet, die von Kälte begleitet sind, besonders bei kaltem Husten. In der TCM (Traditionelle Chinesische Medizin) gilt der Thymian als heiß und wird auch u.a. bei Husten und Bronchialbeschwerden empfohlen. Beide Traditionen verweisen darauf, dass Thymian nicht für trockenen Reizhusten geeignet ist, weil er den Husten verschlimmern kann; stattdessen sollten befeuchtende Kräuter wie beispielsweise Eibisch verwendet werden.
Ein Tee, eine Inhalation oder eine Gurgellösung mit dem Heilkraut verschaffen merkliche Linderung bei Erkältungskrankheiten. Auch wer mit Allergien oder Heuschnupfen zu kämpfen hat, kann vom Thymian profitieren, denn auch sie haben meist mit einer vermehrten Schleimbildung in den oberen Atemwegen zu kämpfen. Darüber hinaus trägt Thymian allgemein zur Stärkung der Abwehrkräfte bei. Wie viele traditionelle Heilkräuter, die positiv auf die Atemwege ( Schleimhäute) wirken, unterstützt der Thymian die Magen-Darm-Gesundheit. Hier punktet er mit seiner Kombination aus Bitterstoffen und ätherischen Ölen. Wie Salbei kann er auch zum Gurgeln und Spülen im Mund- und Rachenraum und zur Mundhygiene verwendet werden.
Seelenwärmer Thymian
Der Thymian schenkt eine intensive und gleichmäßige Wärme, wie wir sie von der Glut eines Feuers kennen. Wenn die Seele zu wenig Wärme bekommt, nimmt sich die Dunkelheit ihren Raum, Traurigkeit macht sich breit und unsere Lebensglut schwindet. Pater Johannes Pausch vom Europakloster Gut Aich am Wolfgangsee sieht im Thymian den Bewahrer der Lebensglut, indem er sie sanft schürt und verströmt. „Der Thymian stellt die Beziehung zur inneren Glut her, öffnet die Tür zu dieser verschütteten Lebensglut und hilft sie zu bewahren. Er gibt uns Wärme, damit wir uns selbst wieder erwärmen können. Seine sanfte Erwärmung fördert die Kommunikation zum ICH, zum DU und zum Leben.“
So wie die Glut eines Feuers intensive und anhaltende Wärme abgibt, so gibt auch der Thymian seine Wärme gleichmäßig ab. Gerade im Winter, wenn uns Infektionskrankheiten und Erkältungen plagen, können wir uns diese Eigenschaft zunutze machen. Vielleicht haben Sie schon einmal Sprichwort gehört: „Die nächste Grippe kommt bestimmt, doch nicht zu dem, der Thymian nimmt.”
Text: Mag. Verena Reisinger, FNL-Heilkräuter- und Knospenexpertin
