Seit längerem stehen Omega-3-Fettsäuren im Fokus der Orthomolekularen Medizin, spielen sie doch eine wichtige Rolle bei entzündlichen und rheumatischen Erkrankungen sowie im Rahmen der Herz-Kreislauf-Gesundheit. Zeit für ein Wissens-Up-date.
Fette erfüllen wichtige Aufgaben im menschlichen Körper. Sie sind Energiequellen (Triglyceride und gesättigte Fettsäuren), Bausteine von Zellmembranen (Phospholipide), Vorläufer für die Produktion von Hormonen (mehrfachungesättigte Fettsäuren und Cholesterin), schützen als Körperfett unsere Organe und unseren Organismus vor Kälte und anderen äußeren Einwirkungen und vieles mehr.
Omega-3-Fettsäuren im Fokus
Omega-3-Fettsäuren spielen als langkettige mehrfach ungesättigte Fettsäuren eine ganz besondere Rolle für unsere Gesundheit. Speziell das Herz-Kreislauf-System, das Gehirn und das periphere Nervensystem benötigen Omega-3-Fettsäuren in ausreichendem Maße. Aber auch bei Entzündungen, wie z. B. entzündlichen Erkrankungen des Skelettsystems, sind sie von großer Bedeutung. Die bekanntesten Vertreter sind die Eicosapentaensäure (EPA) und die Docosahexaensäure (DHA). Während der menschliche Körper die meisten Fette selbst herstellen kann, sind diese beiden Fettsäuren essenziell – sie müssen mit der Nahrung dem Körper zugeführt werden. Gute Nahrungsquellen für EPA und DHA sind Kaltwasserfische. Aber auch arktische Leuchtgarnelen (der Krill) und Algen sind gute Quellen für EPA und DHA. Algen enthalten mehr DHA als EPA.
In der Regel kommen EPA und DHA in der Natur in Form von Triglyceriden in Fischen und Algen und in Form von Phospholipiden im Krill vor. Im Vergleich zur Zufuhr von EPA und DHA als Triglyceride steigt der Gehalt an Omega-3-Fettsäuren in Zellmembranen aus Krillöl um 68 % stärker an, was auf eine bessere Bioverfügbarkeit zurückzuführen ist.
Gut zu wissen:
DHA UND EPA – DER UNTERSCHIED
Beide Fettsäuren haben in ihren Wirkungen Überschneidungen, jedoch unterschiedliche Schwerpunkte. Während er bei der EPA auf der Beeinflussung von Entzündungen liegt, stehen bei der DHA die Entwicklung und Funktion des Nervensystems sowie die Augengesundheit im Vordergrund. Bei einer Supplementierung sollte das Verhältnis etwa EPA/DHA 3:2 sein. Dieses ist bei Omega-3-Quellen aus Fischen und Krill einigermaßen gegeben. Vegane Omega-3-Quellen aus Algen sind DHA-betont.
Bedeutung für unsere Gesundheit
Warum sind die Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA von so großer Bedeutung für unsere Gesundheit? Sie sind integrale Bestandteile der Phospholipidschichten unserer Zellmembranen und spielen deshalb eine wichtige Rolle für die Zellkommunikation und die Durchlässigkeit von Zellmembranen für Makro- und Mikronährstoffe, Hormone und vieles mehr. Das erklärt die vielen gesundheitsfördernden Wirkungen von Omega-3-Fettsäuren. Auch bei Krankheiten haben sie ein breites Einsatzgebiet. Zudem unterstützen sie die Resilienz und die Ausheilung. In Zellmembranen sollte der Anteil von Omega-3-Fettsäuren zwischen 8 % und 11 % liegen. Der mittlere Omega-3-Index1 in der Bevölkerung liegt jedoch nur bei 3,7 %. Mehr als drei Viertel der Bevölkerung hat damit einen ernährungsbedingten Omega-3-Mangel.
Entzündungen biochemisch unter der Lupe
Bei entzündlichen Gelenkserkrankungen, Asthma bronchiale u. a. Formen der Entzündung spielen Typ II Prostaglandine und Typ IV Leukotriene als Entzündungsmediatoren eine essenzielle Rolle. Sie wirken zum größten Teil entzündungsfördernd und intensivieren die Schmerzwahrnehmung im betroffenen Gewebe. Ausgangsstoff für die Bildung dieser Prostaglandine ist die Arachidonsäure – ein Oxidationsprodukt hauptsächlich der Linolsäure – eine Omega-6-Fettsäure.
Entzündungshemmend dagegen wirken Typ III Prostaglandine und Typ V Leukotriene aus der EPA. Sie fördern außerdem die Gefäßerweiterung und erschweren die Thrombenbildung. Beide Stoffwechselwege konkurrieren jedoch um die gleichen Enzyme, die für die Bildung von sowohl entzündungsfördernden als auch entzündungshemmenden Leukotrienen und Prostaglandinen benötigt werden. Weil die meisten entzündungshemmenden Schmerzmittel diese Enzyme hemmen, können sie auch die entzündungshemmende Wirkung von EPA dosisabhängig aufheben. Bei einem Omega-3-Index zwischen
8 % und 11 % werden mehr entzündungshemmende Mediatoren gebildet und es kommt zu weniger Entzündungsaktivität. Aus DHA können bei einer Entzündung zusätzlich noch entzündungsauflösende Lipid-Mediatoren wie Resolvine, Maresine und Protektine gebildet werden.
Gut zu wissen:
Zahlreiche Studien und Metaanalysen zeigen, dass EPA und DHA bei rheumatischen und entzündlichen Erkrankungen des Skelettsystems sowie des Darmes die Entzündungsaktivität signifikant herunterfahren. Damit kann die Menge an Schmerzmitteln – bei einem Omega-3-Index1 von 8 bis 11 % – deutlich reduziert bzw. fallweise sogar ganz ausgesetzt werden.
Herz und Gefäße brauchen sie
Die meisten Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie Herzkranzgefäßverengung, Herzinfarkt, Schlaganfall, periphere Durchblutungsstörungen, Herzmuskelschwäche etc. entstehen aus der Arteriosklerose. Die Hauptrisikofaktoren für das Entstehen und Fortschreiten einer Arteriosklerose sind Übergewicht, Ernährungsfehler (zu viel tierisches Eiweiß, zu viele gesättigte Fette), Bewegungsmangel und rauchen. Es kommt an den Gefäßen zu Oxidationsvorgängen und symptomfreien – klinisch stummen – chronischen Entzündungen. Im Laufe der Jahre verändern sich die Arterien. Es entwickeln sich eine Wandstarre, ein hoher Blutdruck und die Arterien wachsen mehr und mehr zu.
Ein normaler Omega-3-Index ist in der Lage, zusammen mit anderen Mikronährstoffen wie Antioxidantien und Polyphenolen, die chronischen Entzündungen zu vermindern und somit das Fortschreiten der Arteriosklerose, noch bevor Herz-Kreislauf-Erkrankungen entstehen, zu verlangsamen oder zu stoppen. EPA ist hier wichtiger als DHA, wie in zahlreichen Studien gezeigt werden konnte.
Omega-3-Fettsäuren senken die Triglycerid-Werte im Blut, haben einen leicht blutdrucksenkenden Effekt und senken das Risiko für das Entstehen von Thromben. Auch nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall verbessert ein normaler Omega-3-Index die 5-Jahres-Überlebensrate hoch signifikant und ist vergleichbar mit der medikamentösen Prophylaxe nach Herzinfarkt oder Schlaganfall. Am wichtigsten ist jedoch die Veränderung des Life-Styles: Ernährung (mediterrane Kost), Bewegung, Gewichtsnormalisierung etc.
Weitere Indikationen und Faktoren im Zusammenhang mit Omega-3-Fettsäuren:
- Entwicklung von Gehirn und Nervensystem im Mutterbauch
- Neurodegenerativen Erkrankungen vorbeugen
- Einfluss auf die Augengesundheit
- Bioverfügbarkeit bestimmt Resorption und Wirkung
1 Der Omega-3-Index gibt an, wie hoch der Anteil von EPA und DHA in den Zellmembranen der roten Blutkörperchen ist. Die meisten untersuchten Menschen haben einen Omega-3-Index- Wert von 4 – 6 %. Für positive Effekte auf die Gesundheit braucht es einen Omega-3-Index-Wert von 8 bis 11 %.
Autor: Dr. med. Siegfried Kober, Arzt für Allgemeinmedizin und Komplementärmedizin, Obmann und Referent der Akademie für Orthomolekulare Medizin (AOM) in Innsbruck.
Den vollständigen Artikel können Sie nachlesen im Gesundheitsmagazin der Akademie für Naturheilkunde „natürlich besser leben“, Frühling 2024. Jederzeit online abrufbar mit unserem Bildungsabo Advanced (all-in): https://naturheilkunde-akademie.at/ausbildung-kategorie/bildungsabo/