Zinnkraut

Darf ich vorstellen?

Das Zinnkraut!
Als Zinnkraut bin ich noch im Volksmund bekannt, denn in alter Zeit, als es noch keine chemischen Wasch- und Scheuermittel gab, galt ich als probates Mittel zur Reinigung von metallenen Töpfen, Pfannen oder Krügen. Andere kennen mich unter dem Namen Ackerschachtelhalm. Meine Fähigkeiten als Heilpflanze scheinen vielerorts fast in Vergessenheit geraten zu sein. Ich bin vielleicht keine Schönheit unter den Pflanzen, weder bunte Blüten noch üppige Blätter zieren mich und ich dufte auch nicht. Aber wenn man genauer hinsieht, bin ich hochinteressant.
Meine Wurzeln können bis zu 1,60 Meter tief in die Erde wachsen. Ich bin also fest im Boden verankert. Mein äußeres Erscheinungsbild ist karg und puristisch, mein Aufbau klar und strukturiert. Meine Gestalt beschränkt sich auf Stängel und Seitentriebe, auf das absolut Notwendige – die Struktur und das Gerüst. Dieses ist in mehrere Segmente geteilt, die wie ineinandergesteckt, also geschachtelt, aussehen. Verbunden sind die Segmente durch Knoten. Wie Manschetten, die sich an den Stängel schmiegen, schauen die feingezähnten Blätter aus, die die Knoten umfassen.
In meinen Zellwänden habe ich Kieselsäure eingelagert, die mir meine Festigkeit und Zähigkeit verleiht.
Ihr Menschen könnt euch meine Kieselsäure zunutze machen. Wenn ihr mich lang genug (mindestens 30 Minuten, besser 1 Stunde) in simmerndem Wasser ausköchelt, dann habt ihr einen wertvollen Tee, der auch euer Bindegewebe, eure Bänder, Haut, Haare und Nägel festigt bzw. zum Wachstum anregt.  Ich kann eurer Haut helfen Feuchtigkeit zu binden, vielleicht „welkt“ sie dann nicht so rasch ; ). Auch die Wundheilung unterstütze ich gut. Zudem habe ich mir als Durchspülungstee für Nieren und Blase einen guten Ruf erworben.
So wie man früher Pfannen mit mir gereinigt und auf Hochglanz poliert hat, kann ich euch meine Dienste auch zur inneren Reinigung und Entgiftung eures Organismus anbieten.

Im Winter bin ich ganz unter der Erde zu Hause. Im Frühling findet ihr mich als braune Sporenähren an den blassbeigen saftigen Sporentrieben, die herrlich im Rührei munden und Gemüse-Pfannengerichten eine pilzige Note verleihen. Mein grünes Kleid lege ich dann erst einige Wochen später an.

Ich bin nicht nur ganz klar strukturiert, gefestigt und gut geerdet, zugleich bin ich höchst elastisch und beweglich. Ordnung, Struktur und Flexibilität in einem Wesen vereint. Vielleicht sehnt ihr euch in manchen Situationen eures Lebens auch danach?

Verwechseln könnt ihr mich leicht mit meinem Bruder dem Sumpfschachtelhalm. Dieser ist jedoch weder genießbar noch eine Heilpflanze. Also passt auf, wenn ihr mich auf eigene Faust entdecken und sammeln wollt.  Aber geht nächstes Mal nicht achtlos an mir vorbei und bezeichnet mich bitte nicht als Unkraut. Das habe ich nicht verdient.